April 2024
Besichtigung von Absatzteichen & Umwelt auf Goldminen im Witwatersrand
Becken westlich von Johannesburg, Südafrika
Wie kann der Bergbau die Risiken der Abraumbewirtschaftung für Mensch und Umwelt reduzieren? Ein Ortsbesuch mit Evaluierung von Absatzteichen im südafrikanischen Witwatersrand Becken mit der Umweltorganisation “Federation for a Sustainable Environment“.
04.04.2024, Ulrike Braun, Earth Resource Investments (ERI)
Einleitung
Absatzteiche oder -becken (engl.: tailings dam oder Tailings Storage Facilities (TSFs[1])) enthalten die sand- bis tonartigen Abfallprodukte des Bergbaus. Sie werden in Auffangbecken gelagert, die oft Dämme von 100m Höhe oder mehr besitzen[2]. Aufgrund ihrer Zusammensetzung aus den Abfallprodukten des Bergbaus können sie umweltschädliche Elemente und Schwermetalle wie Blei, Arsen, Quecksilber oder Antimon enthalten und benötigen bei ihrer Konstruktion detaillierte Kenntnis der Fels- und Bodenmechanik da sie andernfalls kollabieren können (vor allem bei hoher Wassersättigung). Dammbrüche haben in der Vergangenheit zu schweren Unglücken geführt (z.B. der Kollaps des Brumadinho Damms des Bergbauunternehmens Vale in Brasilien[3]).
Um die Gefahren, die mit der Konstruktion von Absatzteichen entstehen können, besser zu verstehen, begaben sich das ESG-Team von ERI auf Faktenrecherche in die weltweit größte Goldlagerstätte, das Witwatersrand Becken in Südafrika, westlich von Johannesburg.
Im Februar 2024 kontaktierten wir Mariette Liefferink, Umweltaktivistin und CEO der Federation for Sustainable Environment (FSE) und folgten einer Einladung zu einem umweltbezogenen Ortsbesuch im Witwatersrand Becken, westlich von Johannesburg. Das drei Milliarden Jahre alte Witwatersrand Becken enthält die größte bekannte Goldanreicherung der Erde sowie bedeutende Uranvorkommen und ist seit über einem Jahrhundert ein Gebiet mit umfangreichen Bergbauaktivitäten. Gemeinsam mit Interessenvertretern aus verschiedenen Bereichen (NGOs, Wissenschaftler und Vertreter von Bergbauunternehmen) besichtigten wir Einrichtungen rund um die Lagerung von Minenabfällen. Ziel des Besuchs war es, die Auswirkungen der TSFs auf die umliegenden Gemeinden und die Umwelt zu verstehen, Lösungen und Maßnahmen der Bergbauunternehmen zur Problembeseitigung kennenzulernen und uns mit den Herausforderungen und Ansichten unterschiedlicher Anspruchsgruppen vertraut zu machen. Dies hilft uns dabei, eine kompetente Nachhaltigkeitsbewertung von Bergbauunternehmen unter Einbeziehung aller relevanten Aspekte vorzunehmen und in einen kritischen und konstruktiven Dialog mit den Firmen zu treten. Die gewonnenen Erkenntnisse halfen auch die ESG-Analyse für den Earth Sustainable Resources Fund zu verfeinern.
Südafrika und der Bergbau
Der Bergbausektor ist das wirtschaftliche Rückgrat Südafrikas und trägt als wichtiger Arbeitgeber zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Südafrika bei. Mit den ökonomischen und sozialen Vorteilen, die der Bergbau für das Land mit sich bringt, sind jedoch auch negative Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung verbunden. Während lange Zeit keine umfassenden Umweltvorschriften für den südafrikanischen Bergbau existierten, hat sich dies in den letzten Jahren deutlich geändert und die Branche muss ein komplexes Regelwerk aus Bergbau- und Umweltgesetzgebung einhalten. Dazu gehört auch der Umgang mit Altlasten und die Verantwortung für die Auswirkungen von Minenabfällen.
Was sind TSFs?
Minenabfälle bestehen aus gemahlenem Gestein und Prozessabwässern, die in einer Aufbereitungsanlage anfallen. Mechanische und chemische Verfahren werden eingesetzt, um das gewünschte Metall (z.B. Gold, Uran, Platin) aus dem abgebauten Erz zu gewinnen, wobei ein Schlamm entsteht, der als Tailing bezeichnet wird (d.h. er kommt am Ende (engl. Tail) des Gewinnungsprozesses heraus). Im Prozess der Metallextraktion ist es nicht möglich, alle wiederverwendbaren und verbrauchten Verarbeitungsreagenzien und Chemikalien zurückzugewinnen. Die nicht rückgewinnbaren und unwirtschaftlichen Metalle, Mineralien, Chemikalien, organischen Stoffe und das Prozesswasser werden als Schlamm in ein Endlager oder Absatzteich abgeleitet wird, die sog. Tailings Storage Facility (TSF).[4] Im Laufe der Zeit können solche TSFs über 100mhoch werden, wenn immer wieder neues Material vom Gewinnungsprozess zugeführt wird. Wenn TSFs schlecht geplant, gebaut oder unterhalten werden, können sie ein erhebliches Risiko für lokale Gemeinden und die Umwelt darstellen.
Die Isolation der TSFs gegenüber dem Grundwasser ist besonders kritisch. Sind TSFs beispielsweise nicht abgedichtet oder begrünt, führt dies dazu, dass Menschen, die in der Nähe von Abraumhalden leben, den potenziell einatembaren Schadstoffen oder Grundwasserkontamination ausgesetzt werden. Verstärkt wird die Problematik dadurch, dass sich Bergbau oftmals in strukturschwachen Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit befindet, weshalb sich Menschen auf der Suche nach einem Auskommen in den Bergbaugebieten ansiedeln und dort auch illegalen Bergbau betreiben. Wohnsiedlungen, der Anbau von Nahrungsmitteln und die Beweidung von Viehbeständen stellen ein hohes Risiko bei der Nutzung von TSF-Flächen oder deren Einflusszonen dar. Für ein verantwortungsvolles Abraum-Management ist daher ein hohes Maß an Sicherheit entscheidend, um Schäden für Mensch und Umwelt zu minimieren.
Abbildung 1: Beispiel einer TSF. Der wasserreiche Schlamm (Endprodukt der Erzverarbeitung) wird in Teichen auf Halden gelagert und durch Dämme abgegrenzt.
Risiko für Mensch und Natur
Ein Beispiel für schlechtes TSF-Management konnten wir an der Halde 1L8 im Oberlauf des Wonderfonteinspruit besichtigen (Abb. 2). Hier hatte sich der frühere Betreiber des Bergbaus seiner Verpflichtung zur sachgemäßen Sanierung des Minenlandes entzogen, indem er die Bergbaufirma liquidierte und sich der Verantwortung für die Umweltauflagen und -Sanierung entzog (aufgrund der unzureichenden Ausstattung des Sanierungsfonds). Das Problem der Sanierung wurde somit an den Steuerzahler und das Minenunternehmen übertragen, das die Mine gekauft hat. Das Gebiet ist derzeit weitgehend unbewirtschaftet, was zu Umweltproblemen in der Region führt. Mangels Einzäunung der betroffenen Region, wird dort illegaler Bergbau ermöglicht.
Abbildung 2: 1L8 Tailings Storage Facility. An diesem Beispiel wurden die Risiken und Ursachen für das Scheitern von TSFs erläutert. Der Pfeil zeigt auf einen Dammbruch mit losem Material.
Abbildung 3: Besuch des Lancaster Damms. Mariette Liefferink erklärt der Gruppe, dass verschmutztes Wasser aus alten Bergbaugebieten in den Wonderfonteinspruit-Fluss und den Lancaster-Damm floss, wodurch saures Wasser entstand. Die Bergbaufirma versuchte, Gräben (roter Pfeil) auszuheben, um sauberes Regenwasser von dem verunreinigtem Wasser zu trennen. Dennoch durchquert dieses Wasser ein verschmutztes Gebiet, wird kontaminiert und fließt – seinen Zweck verfehlend – am Damm vorbei.
Schwierige Sanierungen
Nach einem Besuch des Lancaster Damms besichtigten wir die wiederaufbereitete Sanddeponie 20 (Sand Dump 20; Abb. 4). Sie war seinerzeit die größte von Menschenhand angelegte Sanddeponie der Welt und eine Quelle für Staub- und Wasserverschmutzung. Die Sanddeponie 20 wurde von Sibanye Stillwater (eine südafrikanische Bergbaufirma) und ihren Vorgängern beispielhaft und nach modernsten Umweltschutzauflagen aufbereitet. Inzwischen wurde die Sanddeponie fast vollständig von Sibanye Stillwater beseitigt, Teile der Grundfläche werden saniert und umgenutzt.
Abbildung 4: Besichtigung des Geländes des wiederaufbereiteten und mittlerweile geräumten Sand Dump 20 von Sibanye-Stillwater.
Durch den jahrzehntelangen Bergbau im Witwatersrand Becken entstand im Laufe der Zeit ein weitverzweigtes Stollensystem im Untergrund, welches sich kontinuierlich mit Wasser füllt. Da dieses mit sulfidhaltigen Mineralien in Berührung kommt, entwickelt es sich zu saurem Grubenwasser. Um dessen Abfließen und mögliche Kontaminierungen zu stoppen, wurden drei Kläranlagen installiert (Abb. 5), um die Metalle aus dem Wasser zu entfernen und die durch den Bergbau entstandene Säuren zu neutralisieren. Die Nutzung der Kläranlagen ist jedoch eine kurzfristige Lösung, eine längerfristige Lösung wird derzeit untersucht.
Abbildung 5: Besichtigung der Kläranlage im „Westbecken“ (Western Basin Acid Mine Drainage Treatment Plant).
Verantwortungsvolle Transformation
Am Ende unserer Tour hatten wir Gelegenheit, eine vorbildlich konzipierten TSF der Gold Fields South Deep Mine Doornpoort TSF zu besuchen (Abb. 6). Die South Deep Mine ist eine moderne Mine mit sicherem, hoch-mechanisierten Bergbau. Dazu gehört auch der saubere und sichere Unterhalt der TSFs.
Die Doornpoort TSF umfasst eine Fläche von etwa 460 ha mit einer Lagerkapazität von 205 Mio. Tonnen Material. Damit bietet die South Deep Mine genügend Platz für die Ablagerung von Abraum für den Rest ihrer Lebensdauer (80 Jahre). Gold Fields hat es sich zum Ziel gesetzt, seine TSFs bis 2025 an die Anforderungen des Global Industry Standard on Tailings Management (GISTM) anzupassen. Der von einem multi-Stakeholder-Gremium entwickelte GISTM ist der erste globale Standard für das Management von Abraumhalden, der durch Einbeziehung sozialer, ökologischer, wirtschaftlicher und technischer Erwägungen, die Sicherheit von TSFs auf der ganzen Welt verbessern will. Er stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Transparenz, Rechenschaftspflicht und der Wahrung der Rechte der vom Projekt betroffenen Menschen dar.
Abbildung 6: Die Projektbesucher mit Vertretern von Gold Fields an der vorbildlich konzipierten Doornpoort TSF mit ERI ESG-Team Pereshia Berlenbach und Ulrike Braun (3. und 4. von rechts)
Fazit
Während unseres Projektbesuches konnten wir zwar nur wenige TSFs der Minen des Witwaterrand Beckens besuchen, aber wir erhielten eine tiefe Einsicht in die unterschiedlichen Standards und Ansätze, die Bergbauunternehmen bei der Betreibung von TSFs verfolgen, sowie deren Auswirkung auf das Ökosystem und die vom Bergbau betroffenen Menschen. Die Herausforderungen an die Bergbauunternehmen sind groß, insbesondere wenn man der großen Anzahl solcher Altlasten Rechnung trägt. Daher stehen die Bergbaufirmen in der Verantwortung eine sichere und effektive Handhabung der Risiken der TSFs, in allen Phasen des Lebenszyklus einer Mine und unter Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung, zu gewährleisten.
Standards wie der GISTM können Transparenz schaffen und die Branche in ihren Bemühungen unterstützen. Es braucht jedoch auch führende und verantwortungsvolle Unternehmen, die gute Praktiken umsetzen und einen Wandel in der Branche vorantreiben. Diese Unternehmen gilt es zu identifizieren und durch Investitionen zu unterstützen. Letztendlich konnte mithilfe der auf diesem Minentrip gewonnen wichtigen Erkenntnisse die ESG-Analyse Technik für den Earth Sustainable Resources Fund verfeinert werden und das Vertrauen in unsere ESG-Analysen erhöht werden. Die Minenbesuche zum Witwatersrand Basin bestätigten auch, das kompetente ESG-Analyse nur mit direktem Engagement mit den Minenfirmen durchzuführen ist.
[1] In diesem Artikel wird der Term „Tailings Storage Facility“ (TSF) durchgehend benutzt.
[2] Z.B. Tailing Dams erklärt
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Ihr Ansprechpartner
Matthias Neymeyer
Relationship Manager Süd
+49 761 7676 95 22 neymeyer@greiff-ag.deMatthias Neymeyer
Relationship Manager Süd
Matthias Neymeyer ist Wholesale Relationship Manager bei der Greiff capital management AG und betreut die Region Süddeutschland. Nach seiner Ausbildung zum Finanzassistenten bei der Volksbank Freiburg eG war der Diplom-Bankbetriebswirt (ADG) zunächst als Servicekundenberater und nach einem Wechsel zur Volksbank Breisgau Süd eG als Privatkundenberater tätig. Zuletzt agierte Matthias Neymeyer mehr als vier Jahre erfolgreich als Vermögensmanager im Private Banking der Volksbank Breisgau Süd eG.